Für alle Laufinteressierten: Ein kleiner Bericht über meinen 2. und letzten Marathon.🤔
Nach einigen Pandemie-bedingten 🤮Verzögerungen konnte ich im Herbst 2021 meinen ersten Vienna City Marathon finishen. Die Zeit von 4:21 war deutlich über meinem 4h-Ziel und lässt sich wohl durch zu wenig Vorbereitung und die große Hitze erklären, die mich ab km 32 mit angsteinflößenden Krämpfen mehrmals zu Boden zwang.
Da ich das nicht so auf mir sitzen lassen konnte, musste ein zweiter Versuch her. Inzwischen ist auch Angi ❤️ auf den Laufzug aufgesprungen. Sie startete beim Halbmarathon und konnte diesen stark verkühlt unter 2h finishen… 🤟aber das ist eine andere Geschichte. Am 24. April stand ich also wieder beim VCM am Start. Diesmal mit deutlich mehr Training in den Beinen. Die letzten 12 Wochen habe ich mich mit einem Trainingsplan für eine Zielzeit von 3:30 vorbereitet.
Ein Plan, der für meinen körperlichen Zustand sehr ambitioniert gewählt war. Dass sich das schwer ausgehen wird, war mir bewusst. Realistisch gesehen hatte ich eine Zeit von unter 3:40 im Kopf. Vom ersten Versuch wusste ich ja schon, dass der Zickzack-Kurs durch die Menschenmassen und die Verpflegung einiges an Zeit kosten kann und ich als unerfahrener Langstreckenläufer meine vorgesehene Pace von 4:58/km nicht bis zum Ende konstant halten kann… Gewisse Abschläge waren also eingeplant.
„Jeder hat einen Plan, bis ihm ins Gesicht 👊 geschlagen wird“ – Mike Tyson
Die Vorzeichen standen leider nicht so gut. Die ganze Familie war seit Anfang der Woche stark verkühlt. Kinderrotz 🤧, wohin man sieht. Am Lauftag ging’s mir allerdings wieder recht gut. Die Beine waren etwas leer, aber nicht schlimm. Daher beschloss ich für mich, dass ich das Tempo nicht reduziere und einfach „dickschäd’lert“ meine 4:58 laufe, bis es halt nicht mehr geht.
Der Start war schon mal ziemlich zach. Es staute sich sehr stark auf der Reichsbrücke – viel mehr als letztes Jahr – und ich konnte meine Pace einfach nicht laufen. Da war ich dann auch ein bisschen zornig 🤬auf die hunderten Läufer, die sich offensichtlich mit viel zu schnellen Anmeldezeiten in den 3er Block geschummelt hatten. Die nächsten zwei Stunden musste ich ständig zickzack zwischen langsameren Läufern durch. Bei meinem Spießrutenlauf verbrachte ich mehr Zeit auf den Gehsteigkanten Wiens als die Prostituierten 🤭neben meiner alten Wohnung im Stuwerviertel. Das ergab am Ende einen halben Kilometer mehr auf der GPS-Uhr. Könnte durchaus stimmen. Auf den ersten langsamen km folgten 25 lässige km, die ich wie eine Maschine abarbeiten konnte. Ich war voll im Plan und hatte lange das Gefühl, dass ich das Tempo durchlaufen kann. Puls war im Rahmen. Beine OK. Temperatur ideal. Wind zeitweise heftig, aber was soll das „mimimi“. Meine StudienkollegInnen Vicky und Tobias feuerten Angi und mich von Zeit zu Zeit an. Sehr belebend. Bei km 20 warf mich dann ein Zwischenfall etwas aus der Bahn.
Eine ältere Dame 👩🦳🦯 hatte es wohl eilig am Weg zur Trafik und beschloss, mitten im Läuferstrom den Zebrastreifen zu queren. Ich konnte nicht mehr richtig ausweichen und den frontalen Crash mit Mühe zu einem Streifschuss abfedern. Die unnatürliche Bewegung war leider zu viel für meine Beine und beide Waden meldeten sich mit einem kleinen „Brenner“. 🔥 Ich konnte zwar weiterlaufen, wusste aber jetzt, dass mein Siegeslauf ein baldiges Ablaufdatum hat. Hoffend, dass ich mit schönem, rundem Laufstil das Unausweichliche möglichst weit nach hinten verschieben kann meldeten sich die Beine auf den nächsten km immer wieder mit kurzen Warnsignalen. Da hätte ich wahrscheinlich etwas zurückschalten sollen. Aber wer kann schon raus aus seiner Haut. Ich offensichtlich nicht. Weiter Tempo halten. Bis es nicht mehr geht.
Bei km 26 kamen dann die Krämpfe mit beeindruckender Synchronität und Intensivität. Beide Waden, beide Oberschenkel. Auch die Zehen tanzten frohlockend mit. 🕺Stillstand am Streckenrand. Drehung in die Horizontale. Bei meinen schmerzverzerrten Windungen dachten die Leute vermutlich, ich brauche einen Exorzisten.👹 Ein Zuschauer kam mir zu Hilfe und dehnte meine Beine. Half nicht viel. Eine andere Zuseherin brachte mir Eis. Da wir mir eigentlich klar, dass ich aufgebe. So kann ich unmöglich weiterlaufen. Nicht 16 km lang. Nach zwei Minuten wurde es etwas besser. Ich ging kurz in mich und stellte fest, dass ich eigentlich gar nicht so genau wusste, wo ich gerade bin. Mir wurde klar: „Ohne Geld und Smartphone muss ich ja sowieso zu Fuß zum Rathaus, um Angi zu treffen. Da kann ich auch gleich auf der Strecke bleiben“. Ich ging also los. Nach ein paar Metern wechselte ich naiv in den Laufschritt. Ging - mit Schmerzen.
Die nächsten 16 km verbrachte ich damit, auf der feinen Klinge zwischen Tempo und Krampf zu balancieren. Bei km 3️⃣0️⃣ sah ich auf die Uhr und stellte fest, dass sich auch bei geringem Tempo mein Vorjahresziel von < 4h ausgehen müsste. Damit gab’s kein Zurück mehr. Mit vorsichtigen Tempowechseln konnte ich mich teilweise auch wieder vernünftigen km-Zeiten von < 6 min. nähern. Spaß sieht anders aus, 😁aber so war ich wenigstens beschäftigt und die km gingen recht gut vorüber. Am schlimmsten war die letzten 2km, auf denen es auch nochmal etwas ansteigt. Es reichte schon die kleinste Abweichung von meinem besenstilartigem Laufstil, um sofort in den Krampfmodus zu wechseln. Trotzdem überholte ich noch viele LäuferInnen, die schon in diesem Modus waren. Geteiltes Leid. Naja. Die letzten 500m ging’s in den Zielsprint. Gefühlt flog ich ohne Abwinkeln der Beine über den Ziel-Teppich. Objektiv betrachtet war ich vllt. einen halben km/h schneller als vorher… die Schmerzen nochmal kurz wegdrücken. Da war es. km 42,195. Im Ziel nach 3:50 Minuten. 🏅
Schade, dass die Muskulatur nicht mitspielte. Der Rest war eigentlich OK. Energie vorhanden. Der Mann mit dem Hammer kam nicht. Das Training zeigte deutlich Wirkung. Im Nachhinein bin ich aber zufrieden. Die Zeit ist in Ordnung. Den Kampf im Kopf habe ich gewonnen. Das Risiko, dass ich an diesem Tag meine für mich grenzwertige Pace nicht halten kann, bin ich bewusst eingegangen und die Chance war auch tatsächlich da, dass es aufgeht. War halt nicht so. Ist in Ordnung. Damit kann ich mein sportliches Ziel, einen Marathon in vernünftiger Zeit zu laufen, abhaken. Das war also der letzte Marathon meines Lebens. Sicher. Vermutlich…